27 Mar

Wichtigkeit der Integration von Glauben, religiöser Identität und religiösem Praktizieren in Bewältigungs- und Heilungsstrategien für Muslime

Die religiöse Identität und praktizierter Glaube können wichtige Faktoren für die psychische Gesundheit und die Lebensqualität des Menschen darstellen. Sie können positive und heilende Wirkung entfalten und eine wichtige Ressource für den Menschen sein oder sich aber unter Umständen auch negativ auf sein mentales Wohlbefinden auswirken (Koenig, 2009). Auf jeden Fall sind sie Faktoren, denen Beachtung geschenkt werden muss, will man den Zustand und die psychische Verfassung eines Menschen ganzheitlich erfassen und verstehen (Dein, Cook, Powell & Eagger, 2010).

Als positive Auswirkungen ihres praktizierten Glaubens auf die psychische Gesundheit von Muslimen wurden in verschiedenen Studien, wie z.B. (Abdel-Khalek & Lester, 2017; Saleem, Saleem, Mushtaq & Gul, 2020), u.a. folgende identifiziert:

  • Erhöhte Resilienz und verminderte Anfälligkeit für Depression, Angststörungen, emotionale und psychische Belastungen.
  • Förderung der Entwicklung durch Klarheit von Identität und Selbstkonzept.
  • Erhöhte Selbstwirksamkeit.
  • Größere allgemeine Lebenszufriedenheit.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie (Rutledge, Pertek, Abo-Hilal & Fitzgibbon, 2021), deren Teilnehmer syrische Frauen in verschiedenen Flüchtlingslagern waren, unterstreicht die Wichtigkeit von Glaube, religiöser Identität und religiöser Praxis für die psychische Gesundheit sowie für die psychosoziale Unterstützung von Muslimen. Sie zeigt gleichzeitig den großen Mangel an Anerkennung und Einbindung dieser religiösen Faktoren in bestehenden Hilfsprogrammen auf.

Mögliche negative Auswirkungen ihres praktizierten Glaubens auf die psychische Gesundheit und die Lebensqualität von Muslimen können sein (Stuart & Ward, 2018):

  • Erhöhte Belastung durch religiöse Diskriminierung und Rassismus.
  • Erhöhte Belastungen durch die Anpassung an ungewohnte Kulturen und Lebensumstände.

Zu nennen wäre hier meines Erachtens außerdem:

  • Emotionale wie psychische Belastungen durch verzerrte Glaubensvorstellungen.

Während meiner Arbeit mit muslimischen Klienten im Rahmen einer islamintegrierten psychologischen Beratung und Unterstützung haben sich u.a. folgende Vorgehensweisen als erfolgreich erwiesen:

  1. Konstruktive Einbindung von Glaube, religiöser Identität und religiöser Praxis als positive Ressourcen in Entwicklungs-, Bewältigungs- und Heilungsprozesse.
  2. Erkennung und Verminderung womöglich vorhandener negativer und destruktiver Aspekte von Glaube und Religiosität. Hier kann u.a. eine kompetente islamtheologische Edukation zu einer positiven Umstrukturierung verzerrter Glaubensvorstellungen beitragen.
  3. Sensibilisierung von nicht-muslimischen Therapeuten und Ärzten für die religiösen Bedürfnisse und Ressourcen ihrer muslimischen Klienten und Patienten. Allgemein erscheint mir hier eine Kooperation mit islamtheologisch geschulten Therapeuten als sinnvoll und wichtig.

Es wäre erfreulich, wenn gerade auch in Deutschland die Thematik in Zukunft mehr Anerkennung unter Ärzten und Therapeuten findet und so Verständnis und Verständigung im Hinblick auf muslimische Klienten und Patienten verbessert werden können.

C. Muhammad Kasprowicz

contact@mindwise-coaching.com

Quellen:

Abdel-Khalek A.M. & Lester D. (2017). The association between religiosity, generalized self-efficacy, mental health, and happiness in Arab college students. Personality and Individual Differences. 109, 12-16.

Dein S., Cook C.C.H., Powell A. & Eagger S. (2010). Religion, spirituality and mental health. The Psychiatrist. 34, 63-64. DOI: 10.1192/pb.bp.109.025924.

Koenig H.G. (2009). Research on religion, spirituality, and mental health: a review. Can J Psychiatry. 54, 283-291. DOI: 10.1177/070674370905400502. PMID: 19497160.

Rutledge K., Pertek S.I., Abo-Hilal M. & Fitzgibbon A. (2021). Faith and MHPSS among displaced Muslim women. Forced Migration review (FMR). 66, 24-26.

Saleem T., Saleem S., Mushtaq R. & Gul S. (2020). Belief Salience, Religious Activities, Frequency of Prayer Offering, Religious Offering Preference and Mental Health: A Study of Religiosity Among Muslim Students. Journal of Religion and Health. 60, 726-735 (2021). DOI: 10.1007/s10943-020-01046-z.

Stuart J. & Ward C. (2018). The relationships between religiosity, stress, and mental health for Muslim immigrant youth. Mental Health, Religion & Culture. 21, 246-261. DOI: 10.1080/13674676.2018.1462781.

Cookie Consent with Real Cookie Banner